Es gibt wohl wenige Dinge, die die schreibende Zunft – insbesondere jene der Wissenschaft – so faszinieren, wie Niklas Luhmanns Zettelkasten. Das ist kein Wunder, wenn man zusammenbringt, dass a) Luhmann schriftstellerisch hoch produktiv war (50 Bücher, 600 Aufsätze!), b) dass Luhmanns Schreibe äußerst anregend ist und dass c) Luhmann legendärerweise gesagt hat, dass nicht er selbst alles schreibe, sondern sein Zettelkasten.
Man möchte dem nacheifern und ebenso produktiv, schlau und witzig werden wie der Meister. Und man entdeckt, dass es nicht so einfach ist. Warum ist das so?
Einerseits ist eine ganze Menge über die Arbeitsweise von Luhmann mit seinem Kasten inzwischen bekannt. Durch eine Fleißarbeit der Universität Bielefeld – genauer, des Niklas-Luhmannn-Archivs – ist dazu der Inhalt des Kastens (90 TSD Stück!) inzwischen online vorhanden und also komplett durchblätterbar.
Dazu gibt es fast ein dutzend Videos, die das Arbeiten mit dem Kasten (jetzt im Sinne des erklären
Doch „Luhmann hat seinen Zettelkasten als gleichwertigen Kommunikationspartner verstanden“ (Markus Krajewski, hier). Dabei ist der Zettelkasten „gleichzeitig Ordnung und Unordnung“ (ebd.). Krajewski empfiehlt dabei ein lesendes Re-Engineering des Zettelkastens: Man lese Luhmans Bücher und verfolge darüber – online etwa – die Arbeitsweise des Autors. Allerdings hat Luhmann 1981 schon beschrieben, wie er mit seinem Zettelkasten arbeitet Aufsatzlink. Johannes Schmidt hat in den letzten Jahren den Zettelkasten Luhmanns erschlossen und zeigt in diesem (40min-)Vortrag, wie Luhmann mit dem Kasten arbeitet bzw. wie der Kasten organisiert ist.
Tatsächlich scheint aber eine ganz große personale Kraft dahinter gestanden zu haben: Luhmann hat jeden Tag quasi von morgens bis abends geschrieben. Wie seine Bücher aus seinen Manuskripten entstanden, kann man sich per Video erklären lassen.. Dort gibt es auch en wunderbares Luhmann-Zitat zu seiner Schreiberei, das André Kieserling (aktueller Prof auf dem „Luhmann-Lehrstuhl“ der Uni Bilefeld) zum besten gibt: „Wenn man die Sachordnung im Kopf hat, kann man in der Zeitfolge (also etwa die Frage, „Was kommt in das erste Kapitel?“) Zeitebene Beliebigkeit akzeptieren.“
Kieserling beschreibt dann auch, dass Luhmann seine Manuskripte zunächst als relativ lose Gedankenfolge schrieb, ddann im einem zweiten Schritt Manuskripbögen einfügte ubnd dieses angereicherte Manuskript und „dann durch den Kasten zog“ also seinen Text mit Ideen mit seinem Verweissystem weiter anreicherte. Dies sei „eine Methode etwas zu finden, was man nicht gesucht hat, aber brauchen kann“ (Kieling) (=Serendipity).
Linksammlung zum Zettelkasten:
- Jan Ulrich Hasecke beschreibt sehr anschaulich seine Anläufe zum Arbeiten mit dem Zettelkasten und er endet schlussendlich mit einem emac-Konfiguration.
- Daniel Luedecke hat ein Java-Programm geschrieben, das den Zettelkasten auf allen Betriebssystem einsetzbar macht. Und er verteilt es umsonst . Vielen Dank!
- Jochen Plikat schreibt über die Ideengenerierung mit Zettelkästen
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