Schreiben-Wissen-Wissensmanagement

Schöne Perspektive auf die Schreibdidaktik: Absätze aufwerten

Freitag, 9. Februar 2024 | Lesezeit: 2 min | Tags: Schreibdidaktik, Hochschule, |

Rezension

Kornelia Kończal ist Professorin an der Uni Bielefeld und veröffentlichte im Januar 2024 den schönen schreibdidaktischen Artikel:
Lesen und Schreiben in Absätzen: Plädoyer für eine vernachlässigte Kulturtechnik
(dies übrigens bei hypotheses.org – einer Bloggingplattform für die Wissenschaften). Sie plädiert darin dafür, dass „das Lesen und Schreiben in Absätzen auch an deutschen Universitäten als Schlüsselkompetenz anerkannt werden sollte“.

Die Qualität ihres Artikels besteht, erstens, in der Anwendbarkeit für die universitäre Lehre bei, zweitens, einer überragenden Lesbarkeit. Diese ist persönlich und informiert, kommt aber weder geschwätzig noch hochgestochen daher.
Kończal plädiert für den „Absatz als strategisches Gestaltungsmittel“ von Texten und geht dabei von der gleichen Grundidee wie Thomas Basbøll aus, der ebenfalls den Absatz als kleinsten logischen Baustein jedes wissenschaftlichen Textes sieht, der deswegen stets bewusst zu planen sei. Er würde daher sicher uneingeschränkt zustimmen, wenn Kończal schreibt:

Ein guter Absatz entwickelt eine Idee oder einen Argumentationsschritt. Sein (meistens) erster Satz (topic sentence) enthält die Hauptaussage beziehungsweise die Grundthese des Absatzes. Je prägnanter dieser Satz formuliert ist, desto besser.

Kończal positioniert in ihrem Artikel die auf den Absatz fokussierte Schreibpädagogik als eine im deutschen Sprachraum vernachlässigten Meso-Ebene zwischen Einzelsatz und Gesamttext. Denn der Kampf um die Lesbarkeit des einzelnen Satzes ist eine der großen Konstanten in deutschen Schreibratgebern, deren Nestor Wolf Schneider war. Auf der anderen Seite des Ratgeber-Spektrums finden sich dann die klassischen Monografien der wissenschaftlichen Qualifikationsarbeit, die den Blick auf den insgesamten Prozess und damit auf die Produktion des fertigen Gesamttextes schulen möchten (etwa Bohl, 2018 oder Kruse, 2007 – letzterer inzwischen in der 12. Auflage). Kończal verweist dabei auf die angelsächsische Schreibkultur, die dieses Bindeglied seit jeher kennt und pflegt, dass jedoch „das englische Verb to paragraph, mit dem die Ausarbeitung der Absatzstruktur gemeint ist, im Deutschen kein Pendant“ habe.

Für die Praxis universitärer Schreibdidaktik, also für die Studierenden, sei dabei die ,Arbeit am Absatz‘ eine gut handhabbare und sinnvolle Einstiegsgröße, wenn es schrittweise erst um die Analyse von Texten und dann um das eigenständige Nachschreiben ginge, um später eigene und weitreichendere Denk- und Argumentationsmuster zu formulieren.

Kurz – wer Schreiben (nicht nur an einer Hochschule) unterrichtet, sollte sich mit dem gelungenen 15-Minuten-Lesezeit-Text jetzt auseinandersetzen.
Kornelia Kończal (2024): Lesen und Schreiben in Absätzen: Plädoyer für eine vernachlässigte Kulturtechnik
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