Lokales Engagement: Konkret, widerspenstig und belohnend

Es wird zunehmend deutlicher, dass wir alle als Bürger und Bürgerinnen der Bundesrepublik, derzeit unterschiedliche aber gleichzeitig wirkende Krisenphänomen erleben, die sich also überlagern, verkeilen und verstärken. Zentral dabei ist etwa die Krise des Klimas als Überhitzung der Welt und die Krise der Demokratie als Verlust des Vertrauens in die Institutionen der öffentlichen Sache. Die Mehrdimensionalität dieser Phänomene, die fast immer komplex miteinander verwoben sind, lässt einen ratlos und erschöpft zurück.
In dieser Rubrik wird besprochen, wie und ob ein lokaler Aktivismus gegen diese Krisenphänomene und die psychologischen Folgen etwas ausrichten kann.

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Lokales Engagement: Konkret, widerspenstig und belohnend

Donnerstag, 12. Oktober 2023 | Lesezeit: | Tags: |

Es wird zunehmend deutlicher, dass wir als Menschen, Bürger und Bürgerinnen der Bundesrepublik, derzeit unterschiedliche Krisenphänomen gleichzeitig erleben, die sich aber in ihren Auswirkungen gegenseitig überlagern, sich verkeilen und damit verstärken. Zentral dafür sind etwa die Krise des Klimas als Überhitzung der Welt und die Krise der Demokratie als Verlust des Vertrauens in die Institutionen der öffentlichen Sache. Weitere, ähnlich miteinander ‚verkeilte‘ Phänomene sind leicht aufzuzählen: So führt etwa der Online-Handel zu einem Ladensterben in den Innenstädten, während – ebenfalls parallel dazu – der Flächenverbrauch auch und gerade im Südwesten weiterhin auf zu hohem Niveau anhält und sich aber als drittes immer mehr Menschen immer größere Fahrzeige anschaffen, die wiederum immer mehr Straßenraum brauchen, wenn beispielsweise die Einkäufe nun zwingend im Außenbereichen der Städte erledigt werden müssen.

Die Mehrdimensionalität dieser Phänomene, die fast immer komplex miteinander verwoben sind, lässt einen ratlos und erschöpft zurück. Der amerikanische Philosoph Timothy Morton definiert diese Situation als Hyperkrise . Die Hyperkrise zeigt sich durch eine spezifische Ungreifbarkeit bei gleichzeitig hoher Dringlichkeit. Denn die Krisenphänomene rücken in Ort, Zeit und Verantwortlichkeiten immer mehr auseinander aber gleichzeitig auch immer näher. So hat etwa die Klimakrise schon vor Jahrzehnten begonnen und wir werden noch Jahrzehnte damit zu tun haben, aber sie ist eben auch jetzt; sie ist gleichzeitig direkt vor meinem Haus aber auch in anderen Ländern oder der Antarktis; Verantwortlich dafür sind gleichzeitig ‚die Politik‘ aber auch ‚wir alle‘ aber ebenso auch ‚die Verhältnisse‘. Die Folge ist, dass jede Greifbarkeit verschwindet, obwohl das Phänomen immer dringender wird.

Es gibt keine einfache Lösung dieser Problemlage, das ist sicher. Gleichzeitig mehren sich die Stimmen, dass man – um überhaupt eine Angriffsfläche, einen Archimedischen Punkt gegen all das zu finden – wieder zurückkehren muss zum lokalen Ort, zur Nachbarschaft. Hier ist ein realer Ort gegeben, der konkrete Angriffsflächen bietet, die diskutiert und gestaltet werden können: Plätze, Straßen, Räume und Prozesse der Gemeinde. Hier gibt es auch echte soziale Ressourcen insofern man echte Menschen treffen kann, in Abgrenzung von Web-Communities, Social-Media-Gruppen oder E-Mail-Partnern. An diesem konkreten Ort leben die Menschen, Tiere und Pflanzen und hier kann man in Reichweite eines Armes, eines echten Gesprächs oder eines Spazierganges versuchen, die Dinge besser zu verstehen und zu verändern.

Natürlich gibt man mit dem Rückzug auf diesen Nahbereich im Gegenzug die Region, das Land oder den Globus zunächst preis. Das ist bedauerlich und das muss im Auge behalten und weiter mitgedacht werden. Aber weil wir Menschen unserem Wesen nach begrenzt sind, müssen wir unsere Kräfte fokussieren, wenn aktuell der Krisendruck steigt.

Die neuen Theorien des lokalen Engagments betonen mit der Fokussierung auf die Nachbarschaft insbesondere, dass dort jene Verbindungen möglich sind, die uns als Menschen stärken und nähren: Gemeinschaft, Selbsterlebnis, Gespräch, Arbeit und un-nützlicher Frohsinn. Aber auch bei disem Bild gilt, dass das Gegenteil mitgedacht werden muss. Die Nachbarschaft ist keine flauschige Wohlfühlblase per se. Die zunehmende Verstädterung, die Aufsplitterung der Lebensstile, die durch unsere mobilen Telefone abnehmende Fähigkeit zu Kontakt und Konfrontation – all dies steht der ‚natürlich netten Nachbarschaft‘ entgegen. Doch das vermindert alles nicht ihre Zugänglichkeit: Wenn ich zehn Schritte vor mein Haus gehe, dann treffe ich auf diesen Ort. Er kann und sollte also das Feld sein, in dem der Kampf um eine bessere Welt beginnt.

Diese Rubrik meiner Webseite möchte dieses Konzept von „Neuer Nachbarschaftlichkeit“ d.h. lokalem Engagement diskutieren, dazu Werkzeuge vorstellen, Erfahrungen zugänglich machen. Rückmeldungen, Anregungen ud Einsprüche dazu sind jederzeit willkommen.

Vermischte Stichworte als zukünftige Themen:
- Kommunitarismus
- Morton, Timothy
- Illich, Ivan
- Schumacher, Ernst Friedrich
- Gemeinwesenarbeit
- Alinsky, Saul
- Community Organizing
- Urban Gardening
- Repaircafes
- Esskastanien-Nachbarschaften

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