"Arbeit am Reservoir" - Ist das Management von externen Dozenten bei Volkshochschulen eine Forschungslücke?

Freitag, 3. November 2023 | Lesezeit: 2,7 min | Tags: Erwachsenenbildung, Bildungswissenschaften, |

Beim Schreiben eines Aufsatzes zur gesellschaftlich-pädagogischen Performanz der deutschen Volkshochschulen lese ich, dass jede Fachbereichsleitung bzw. HPM einer VHS pro Semester mit durchschnittlich 38 Dozentinnen/Dozenten zu tun hat, insofern sie mit ihnen (Ab hier nur noch ‚Dozenten‘ – alle Geschlechter sind gemeint) Verträge schließt [1]. Das wiederum bedeutet, dass eine HPM bei der VHS eine weit größere Gruppe an potenziellen Dozenten kennen und mit diesen Menschen kommunizieren muss, als jene durchschnittlich 38, die dann final vertraglich eingebunden werden.

Gleichzeitig unterliegt der insgesamte Pool einer natürlichen Fluktuation. Daher müssen HPMs sicher auch stets danach schauen, wie und wo sie diesen Pool erweitern können und damit die Versorgung an Dozenten stabil zu halten (so technisch muss man es wohl ausdrücken).

Weiter ist dieser Pool an potenziellen und tatsächlichen Dozenten ja auch eine Input-Quelle für neue Themen oder Bildungsaspekte einer Einrichtung. Hier realisiert sich, so steht zu vermuten, auch ein wichtiger Aspekt jener „Offenheit“, die für das Selbstbild der Volkshochschulen konstituiv ist.

Gleichzeitig ist die Literatur zu diesem Themenfeld sehr überschaubar. Der Band von Dobischat/Elias/Rosendahl (2018): Das Personal in der Weiterbildung [2] ragt dabei deutlich heraus. In 21 Aufsätzen wird das Themenfeld durchpflügt. Den speziellen Belange der Volkshochschule widmet sich Rossmann [3] in einem Aufsatz namens: Die Personalfrage aus der Sicht der Volkshochschulen. Dort schreibt er:

Die nebenberuflichen Kräfte werden im Strukturmodell der Volkshochschulen weiterhin die tragende Säule eines attraktiven Angebots sein. Sie müssen in besonderer Weise in der Personalentwicklung gepflegt und gefördert werden. Das Reservoir und das „Kollegium“ der Kursleiter wird auch weiterhin ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal der Volkshochschulen unter den Weiterbildungseinrichtungen ausmachen. (S.450)

Ich frage mich beim Lesen natürlich, wie man einen Mitarbeiterpool, der zum einen über 40 Köpfe groß ist, die dazu auch noch alle extern leben und arbeiten, nun „in besonderer Weise“ pflegen und fördern soll. Vermutlich bilden deswegen die technischen Begriffe von ‚Pool‘ und ‚Reservoir‘ die pragmatische Wirklichkeit eher ab. Aber zu genau dieser Perspektive des Fußvolks – Wie läuft die Dozentenrekrutierung in der Realität und was für Probleme und Fallstricke sind damit verbunden? – scheint es aktuell noch keine Untersuchungen zu geben. Und Ernst-Dieter Rossmann, der inzwischen Ehrenvorsitzender des Deutschen Volkshochschul-Verbandes ist, kennt sicher ganz genau die Sachlagen der Ebenen, aber kann diese in seiner Position eben auch schlecht intensiv kritisch beleuchten.

Es wäre also zu überlegen, ob zu diesem Themenfeld nicht eine empirische Untersuchung lohnend wäre. Immerhin geht es um Pflege und Erhalt eines „wesentlichen Alleinstellungsmerkmals der Volkshochschulen“.

Forschungsperspektiven

  1. 1. Wie genau läuft die Praxis des „Findens und Bindens“ von externem Personal für HPMs in Volkshochschulen ab?
  2. 2. Welchen Umfang an Zeit und Material wird darauf durchschnittlich – oder auch speziell – aufgewandt?
  3. 3. Auf welchen Weltsichten und Routinen ruht die Priosisierung dieser Tätigkeit im Alltag, die Methodenwahl und die Nützlichkeitsüberlegungen bezüglich der Tätigkeit?
  4. 4. Auf welche Probleme sozialer und organisationaler Art deutet es, wenn Rossmann das „Kollegium“ der Freien Dozenten für die VHS in Anführungszeichen setzt?
  5. 5. Rossmann hebt darauf ab, dass das „klassische Modell einer durch andere Quellen abgesicherten nebenamtlichen Dozentenschaft, die durch wenige hauptamtliche Kräfte in der Leitung, in den Programmbereichen und im Management organisiert wird“ (Rossmann 2018:457) immer weniger Bestand haben wird. Aber
    5a) wie wirkt sich das auf die konkrete Arbeit der einzelnen HPM aus? Und
    5b) wie auf die Arbeit und das Angebot von Volkshochschulen allgemein?
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[1] Echarti et al. (2022): Volkshochschul-Statistik 59. Folge, Berichtsjahr 2020.Bielefeld: wbv Publikation
[2] Dobischat, Rolf, Arne Elias, und Anna Rosendahl (Hgg.) (2018): Das Personal in der Weiterbildung: Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Beschäftigungsrealität. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9.
[3] Rossmann, E.D. (2018). Die Personalfrage aus der Sicht der Volkshochschulen. In: Dobischat/ Elias/Rosendahl (a.a.O.) S. 439–460

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